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Titel
Land and Power in Ptolemaic Egypt. The Structure of Land Tenure


Autor(en)
Manning, Joseph Gilbert
Erschienen
Anzahl Seiten
335 S.
Preis
£50.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Mileta, FB Kunst-, Orient- und Altertumswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Verbundene Gegenstände des Buches von Manning sind das "land tenure system", also die "Agrarverfassung",1 sowie die Staatsstruktur des ptolemäischen Ägypten. Dabei will Manning insbesondere klären, wo und inwieweit sich die politische und ökonomische Herrschaft des ptolemäischen Staates innerhalb der ägyptischen Chora auf traditionelle, aus der Pharaonenzeit stammende Sozialbeziehungen und Verfügungsrechte über den Grund und Boden stützten. Damit berührt die Untersuchung immer wieder die Frage, ob wir uns das ptolemäische Ägypten als "starkes" oder "schwaches" Staatswesen vorzustellen haben; also entweder als ein hochzentralisiertes und bürokratisch durchorganisiertes Land, in dem der Staat alle Fäden in der Hand hielt, oder aber als ein Reich, in welchem der gering entwickelte Zentralstaat lediglich an der Extraktion des agrarischen Surplus-Produktes interessiert war, dessen Eintreibung im Wesentlichen in den Händen der indigenen Eliten sowie lokaler Agenten des Staates lag. Manning geht dieser Frage auf Grundlage einer denkbar breiten Quellenbasis und unter Rückgriff auf sozialwissenschaftliche Theorien nach.

In der Präsentation und Auswertung des Quellenmaterials verfolgt er zwei Hauptziele: Zum einen will er der interessierten Fachwelt eine "roadmap" aller Quellen über die ptolemäische Agrarverfassung präsentieren. Zum anderen will er zeigen, welch großen Nutzen die bisher vernachlässigten demotischen Quellen für das Verständnis der Entwicklung des ptolemäischen Staates haben und wie sehr sie helfen, die Komplexität seiner ökonomischen Struktur zu verstehen. Die Bedeutung der demotischen Quellen ist interessierten Fachkollegen, etwa aus dem Bereich der Alten Geschichte, natürlich bekannt. Doch sie können wegen fehlender Sprachkenntnisse gewöhnlich keinen Nutzen aus dieser Quellengattung ziehen. Es ist somit einer der großen Vorzüge des zu besprechenden Werkes, dass Manning sowohl Ägyptologe als auch Althistoriker ist, also beide im ptolemäischen Ägypten gesprochenen und geschriebenen Sprachen beherrscht. Außerdem ist er sowohl mit der ägyptischen als auch mit griechisch-hellenistischen Geschichte sowie den entsprechenden sozialen, ökonomischen und administrativen Verhältnissen und Institutionen vertraut. Er verfügt daher genau über das wissenschaftliche Profil, das man benötigt, um herauszuarbeiten, in welchem Maße sich die ptolemäischen - also ursprünglich graeco-makedonischen - Institutionen und Verhältnisse mit denen der Pharaonenzeit verbanden. In der Tat zeichnet sich das Buch durch einen souveränen Umgang mit allen zu Gebote stehenden Quellen, also mit den griechischen Autoren sowie den griechischen, hieroglyphischen und demotischen Inschriften, Papyri und Ostraka aus.

Auch in konzeptioneller Hinsicht ist die Studie sehr, möglicherweise auch zu ambitioniert. Manning greift zur Erklärung der sozialen Struktur der ptolemäischen Gesellschaft und der ökonomischen Macht ihres Staates auf Konzepte einer ganzen Reihe von Sozialwissenschaftlern zurück, insbesondere auf Max Weber, Michael Mann, Ernest Gellner und Douglass North. Dieser große theoretische Aufwand ist nach Auffassung des Rezensenten gar nicht nötig, weil es letztlich das imposante, doch nur aus zwei Regionen Ägyptens stammende Quellenmaterial ist, das die Vorgehensweise bestimmt und den Weg zur Erkenntnis weist. Dies weiß Manning natürlich selbst, weshalb er trotz der Rückgriffe auf sozialwissenschaftliche Modelle nicht versucht, die Agrarverfassung und die darauf bezogenen Staatsfunktionen für ganz Ägypten und die gesamte ptolemäische Zeit zu klären. Vielmehr konzentriert er sich auf das Machbare, nämlich auf zwei große Regionalstudien über die entsprechenden Verhältnisse in Oberägypten und im Fajum. Auf dieser Basis entwickelt er dann ein Bild vom Wandel, den die Ptolemäerherrschaft mit sich brachte, und stellt die Entwicklungslinien des Staates wie auch der Agrarverfassung in der Ptolemäerzeit dar.

Das Buch besteht aus drei Hauptteilen mit insgesamt sieben Kapiteln; ferner enthält es drei Appendices, ein umfängliches Literaturverzeichnis (45 Seiten) sowie einen Quellen- und einen Generalindex. Es handelt sich um eine enorm material- und kenntnisreiche Studie, die sich in einzelnen Abschnitten allerdings auf bereits früher erschienene Detailuntersuchungen von Manning stützen kann. Der Inhalt des Werkes soll im Folgenden in seinen Hauptlinien skizziert und besprochen werden. Mehr kann die Rezension angesichts der Fülle des Materials und der Vielzahl der von Manning behandelten Einzelaspekte nicht leisten.

Bei Part I ("Issues and historical background") handelt es sich um eine ausführliche Einführung in die Untersuchung. Chapter 1 ("Issues and methodologies", S. 3-26) stellt die methodischen Prinzipen der Arbeit vor, entwickelt die Fragestellungen und setzt sich mit früheren Forschungsansätzen auseinander. Dabei macht Manning insbesondere deutlich, dass sich die bisherige Forschung einseitig auf das Fajumbecken und das dortige Quellenmaterial konzentrierte, andere Teile Ägyptens aber vernachlässigt hat. Diesem Mangel will er abhelfen, indem er sich seinerseits auf das Quellenmaterial aus der Thebais und damit auf die hieroglyphischen Inschriften und demotischen Papyri und Ostraka konzentriert; auf Quellen also, die bisher in ungenügendem Maße zur Erklärung von Wirtschaft und Staat des ptolemäischen Ägypten genutzt wurden. Manning will dabei vor allem die Beziehungen zwischen den zentralen und lokalen wirtschaftlich-fiskalischen Institutionen sowie die Einwirkung des ptolemäischen Staates auf die Agrarverfassung in der Thebais und im Fajum untersuchen.

In Chapter 2 ("The ptolemaic state and its antecedents", S. 27-61) entwickelt Manning seine Positionen zur Struktur und Funktionsweise des ptolemäischen Staates und arbeitet heraus, in welch starkem Maße der ptolemäische Staat auf den Verhältnissen und Strukturen der Pharonenzeit aufbaute. Dabei gab es freilich beträchtliche regionale Unterschiede, die sich auch aus den völlig verschiedenen geografischen und ökologischen Gegebenheiten im Niltal, dem Fajum und dem Delta ergaben. Es verwundert so auch nicht, dass schon in pharaonischer Zeit beträchtliche Unterschiede zwischen den ökonomischen und administrativen Verhältnissen in den beiden von Manning untersuchten Regionen existierten. Im Folgenden skizziert Manning die Geschichte der Ptolemäerdynastie sowie ihre Herrschaft über die ägyptische Chora, insbesondere ihren Umgang mit dem Grund und Boden sowie ihr Wirtschafts- und Fiskalsystem. Ebenfalls dargestellt werden die verschiedenen Bodenkategorien, die Unterschiede in den Verfügungsrechten am Grund und Boden sowie die Steuern und Abgaben, die auf dem Land bzw. bestimmten landwirtschaftlichen Produkten lagen.

Part II ("Regional case studies of land tenure") besteht aus zwei Fallstudien, die das "land tenure regime" in Oberägypten und dem Fajum untersuchen. Hier geht es Manning darum, die regionalen Unterschiede in den Eigentums-, Besitz- und Verfügungsrechten am Boden sowie in der Art und Weise herauszuarbeiten, in der der ptolemäische Staat die auf dem Land liegenden Steuern und Abgaben einzog. Zahlreiche neue Erkenntnisse bringt Chapter 3 ("The land tenure regime in Upper Egypt", S. 65-98): Manning untersucht hier die Lage in Oberägypten anhand einer Reihe von Quellen, die für das Thema bisher kaum ausgewertet wurden, so insbesondere eine hieroglyphische Inschrift aus dem Horostempel von Edfu (englische Übersetzung in Appendix 1) sowie einige demotische und griechische bzw. doppelsprachige Papyri und Ostraka aus Edfu und benachbarten Gebieten sowie aus Elephantine; ich nenne nur die Hauswaldt- und die Adler-Papyri, das Milon-Archiv sowie den P. Amh. gr. 49 über die Senpoeris-Affäre (englische Übersetzung in Appendix 3).

Diese aus verschiedenen Jahrhunderten stammenden Quellen gewähren ausführliche und auch überraschende Einblicke in die sehr traditionelle Agrarverfassung Oberägyptens. Dabei fallen vor allem die umfangreichen Ländereien der Tempel auf, die an einzelne Bauern vergeben bzw. verpachtet worden waren. Diese Bauern behandelten die betreffenden Landstücke als ihr Eigentum, was die große Zahl von Landtransaktionen unter Privatleuten belegt.2 Wir stoßen hier auf Verfügungsrechte, die man eindeutig als eine traditionelle ägyptische Form des Privateigentums an Land bezeichnen muss. Die betreffenden Landstücke konnten allerdings nur innerhalb des engeren sozialen Systems, also der Großfamilie und der Dorfgemeinschaft, vererbt, verkauft oder verpachtet werden. Die Interessen der Tempel wie auch des ptolemäischen Staates wurden durch die Existenz dieses Privateigentums nicht berührt. Beide waren vor allem daran interessiert, dass Erträge aus dem Land flossen. Diese hatten die Bauern zu erwirtschaften, denen im Gegenzug weitgehende und langfristige Verfügungsrechte über die zu bewirtschaftenden Landstücke eingeräumt wurden. Zwar führte man mit den Landversteigerungen und der temporären Verpachtung von königlichem Land (ge basilike) auch griechische Formen der Verfügung und des Umgangs mit dem Grund und Boden ein, doch wurden die traditionellen Verhältnisse dadurch nicht wesentlich berührt.

Chapter 4 ("The land tenure regime in the Fayyum depression", S. 99-125) behandelt das "land tenure regime" im Fajum. Hier kann Manning, was das Material betrifft, natürlich nichts Neues präsentieren, sondern nur die bekannten papyrologischen Quellen diskutieren. Genannt seien hier nur die einschlägigen Zeugnisse aus dem Zenon-Archiv (3. Jahrhundert v.Chr.) sowie aus dem Archiv von Menches, dem Schreiber des Dorfes Kerkeosiris (Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr.). Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Fallstudie über Oberägypten gewinnt dieses Material aber bedeutend an Aussagekraft. Es wird deutlich, dass das Fajum infolge des großen Anteils graeco-makedonischer Siedler, die insbesondere auf neu bewässertem Land angesiedelt wurden, stark hellenisiert war. Auch stand das Fajum wegen der geografischen Nähe zur Hauptstadt Alexandreia unter relativ straffer Kontrolle der ptolemäischen Verwaltung. Beide Faktoren führten dazu, dass die Agrarverfassung des Fajums stark von der Oberägyptens abwich. Ähnlichkeiten ergeben sich insofern als trotz grundsätzlich anderer Eigentumsverhältnisse, etwa des hohen Anteils an königlichem Land und Großgütern sowie an Kleruchenland, die zu bearbeitenden Felder langfristig in der Hand ein- und desselben Bauernfamilien blieben.

In Part III ("Interpretation") werden die Ergebnisse der Fallstudien eingehend interpretiert. Chapter 5 ("The Ptolemaic state, the land tenure regime, and economic power", S. 129-181) behandelt die Struktur und Funktionsweise des Ptolemäerstaates, dessen Verhältnis zum Grund und Boden sowie den Einfluss des Staates auf die Agrarverfassung in den beiden untersuchten Reichsteilen. Chapter 6 ("The private transmission of land", S. 182-225) beschäftigt sich mit den in Oberägypten dokumentierten privaten Landtransaktionen (Vererbung, Pacht, Kauf), die zumindest für diesen Teil des Ptolemäerreiches privates Eigentum am Grund und Boden belegen. Damit ist die sich in der Forschung hartnäckig haltende Ansicht, die ptolemäischen Herrscher seien Eigentümer allen Bodens gewesen, endgültig vom Tisch. Ein Eigentumsanspruch wurde von den Ptolemäern nur für das nicht ohne Grund so bezeichnete königliche Land (ge basilike) erhoben. Daneben existierendes Landeigentum berührte ihre Interessen nicht, denn es ging ihnen nicht um eine zentrale Planung und Lenkung der landwirtschaftlichen Produktion, sondern vielmehr um die möglichst reibungslose Abschöpfung des Surplus-Produktes von allem Land, das sie über Steuern und Abgaben einzogen. Dabei stützten sie sich in Oberägypten auf Teile der alten Eilten, die als lokale Agenten des Staates agierten, im Fajum aber vorzugsweise auf Steuerpächter und Beamte. In Oberägypten wurden die traditionellen Verhältnisse, wie Manning zeigt, nicht durch kurzfristig wirkende Eingriffe in die Agarverfassung, sondern durch die Einführung neuer griechischer Institutionen und Abläufe, etwa durch die Steuerpacht und öffentliche Landversteigerungen, die Einsetzung griechischer Schreiber und überhaupt durch das Vordringen des Griechischen als Verwaltungssprache, allmählich verändert. In seiner Bedeutung kaum zu unterschätzen ist die Einrichtung von Banken und staatlichen Lagern für das als Naturalsteuer abzuliefernde Getreide. Damit verloren die Tempel ihre vormalige Funktion als Ablieferungspunkte und Lager des Fiskus. Da sie weiterhin über große Ländereien verfügten, behielten die Tempel zwar ihre ökonomische Macht, gerieten aber trotz oder gerade wegen der Förderung von seiten der Ptolemäer in starke Abhängigkeit vom Staat.

In der Zusammenfassung (Chapter 7, "Conclusions", S. 226-214) zieht Manning ein Resümee der vielen Teiluntersuchungen des Buches. Dabei votiert er für ein "neoklassisches" Modell des ptolemäischen Staates: Im Gegensatz zur Sichtweise des bisher herrschenden "kolonialen" Modells haben die Ptolemäer in Ägypten eben kein uniformes politisches System eingeführt. Sie stützten sich vielmehr in starkem Maße auf die traditionellen Institutionen und Eliten. Letztere konnten relativ eigenständig agieren, mussten dafür aber das neue System der staatlichen Kontrolle und der Steuererhebung durchsetzen. Damit wird auch deutlich, dass das Ptolemäerreich weder als "starker Staat", noch als ein riesiger königlicher Haushalt angesehen werden kann. Es handelt sich vielmehr um einen, "schwachen (Zentral-)Staat", dem es im Wesentlichen um die Erhöhung der Staatserträge bei Minimierung aller möglichen Risiken ging. Ein großer Teil dieser Erträge wurde in Form von Steuern und Abgaben eingezogen und vom Hof, der Bürokratie sowie dem Militär verbraucht. Abgesehen von dem Bemühen, seine fiskalischen Interessen durchzusetzen, beschränkte sich der Zentralstaat vor allem Koordinationsaufgaben, etwa bei der Irrigation und der im Niltal notwendigen zentralen Organisation der Aussaat und Ernte. Es hat den Anschein, dass im Laufe der Zeit ein großer Teil dieser Aufgaben an die lokalen Eliten delegiert wurden. Dies führte à la longue dazu, dass einem schwächerwerdenden Zentralstaat außerordentlich vitale und erstarkende lokale Gewalten gegenüberstanden, die sich gleichwohl als Vertreter des ptolemäischen Staates sahen. Damit kann man nicht länger unter Berufung auf Polybios davon ausgehen, dass sich Gesellschaft und Staat des Ptolemäerreiches seit 217 v.Chr. im Abstieg befunden hätten. Vielmehr kam es zu einer neuen Verteilung der Staatsfunktionen zwischen der zentralen und den nachgeordneten Ebenen, bei welcher die nun bereits hellenisierten lokalen Eliten an Gewicht gewannen. Die Römer steuerten später dieser potentiell gefährlichen Entwicklung gegen, indem sie es nicht erlaubten, dass die Provinzstrategen aus der Region stammten durften, die sie regierten.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass Manning eine geschickt aufgebaute und materialgesättigte Studie vorgelegt hat, die zu vielen neuen Einsichten über die Agrarverfassung und den Staat des ptolemäischen Ägypten gelangt. Diese Ergebnisse sind auch für die Erforschung der Agrarverhältnisse und der Staatsstruktur in den anderen hellenistischen Staaten relevant. Das Buch wird somit für absehbare Zeit zu den Ausgangspunkten jeder Beschäftigung mit diesen Fragen gehören.

Anmerkung:
1 Für den deutschsprachigen Leser muss hier angemerkt werden, dass die von Manning verwendeten Begriffe "land tenure" und "land tenure system" bzw. "land tenure regime" nicht exakt ins Deutsche übertragen werden können. Der Terminus "land tenure" beschreibt den Komplex althergebrachter wie auch juristisch fixierter Ansprüche und Rechte, welche sowohl der Staat als auch Gemeinwesen, Heiligtümer und Privatpersonen am Grund und Boden eines Landes haben. Der Begriff umfasst mithin nicht nur das Eigentum, sondern auch den Besitz und sonstige Verfügungsrechte an Land. Entsprechend beschreiben die Termini "land tenure system" und "land tenure regime" den Komplex der oben geschilderten Ansprüche auf Land sowie die sozialen und juristischen Verhältnisse bzw. bürokratischen Regeln, unter denen diese Rechte existieren bzw. durchgesetzt werden. Alle drei Begriffe decken also bestimmte Teilaspekte des deutschen Begriffes "Agrarverfassung" ab, wobei "land tenure system" diesem am nächsten kommt.
2 Vgl. Appendix 2, "Ptolemaic demotic land transfers from Upper", in dem 84 solcher Transaktionen in tabellarischer Form aufgelistet werden.

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